Ein Sommernachtstraum
Zwei unglücklich verliebte Paare verirren sich in einem magischen Wald und können bald nicht mehr unterscheiden, wer wen liebt – und warum. Denn in dieser naturhaften Gegenwelt herrschen nicht nur die unberechenbaren Gefühle des Elfenkönigspaars Titania und Oberon, sondern auch die Zauberkräfte des Kobolds Puck. Die jungen Liebenden sehen sich in eine andere Dimension geworfen und taumeln durch das Dickicht ihrer Gefühle, in dem die Überhöhung der Liebe der Beliebigkeit der Liebschaften die Hand gibt. Bis ausgerechnet eine Truppe von Laienschauspielern mit „Pyramus und Thisbe“ das Ideal der Liebe wieder auf den Punkt bringt. Doch auch die Zaubergestalten haben ein Einsehen und lösen die klassischen Konflikte der Menschen. Nur eins bleibt undeutlich im Dämmerlicht der Sommernacht: wer oder was wiederum die Elfen lenkt – „fancy“ (engl. sowohl für „verliebt sein“ als auch „Fantasie“)?
William Shakespeare (1564–1616) „Will in the world“ [„Will in der Welt“] nannte Steven Greenblatt seine 2004 erschienene Biographie über den großen Poeten und bringt damit unser Dilemma bei jeglicher Beschreibung auf den Punkt: Ist es ein Mann, ein Phänomen, ein Jahrhundertwerk oder gar eine Philosophie, der wir uns da nähern? Das Gute ist: Wir brauchen diese Frage nicht zu beantworten und können uns ungeniert inspirieren lassen von diesen geist- und seelenvollen Texten, über so ziemlich alle großen Themen der Menschheit. Mehr als 400 Jahre ist es her, dass er die verschiedenen Facetten der menschlichen Liebe und ihre übernatürlich wirkenden Kräfte im Sommernachtstraum verdichtete und überdies der Fantasie einen ebenbürtigen Platz neben Macht, Kalkül und Schicksal einräumte. Doch für Shakespeares Poesie und Erkenntnisse gilt wohl das Gleiche, wie für die Zeit im magischen Wald – sie entziehen sich der Vergänglichkeit.