Theater trifft ... Professor Dr. Christian Kreiß (HS Aalen)

Theater trifft ... Professor Dr. Christian Kreiß (HS Aalen)

zum Thema Wirtschaftsethik

Im Anschluss an den britischen Liederabend Get back am 22. März 2019 zum bevorstehenden Brexit sprach der renommierte Ökonom Christian Kreiß, Professor an der Hochschule Aalen, mit Tonio Kleinknecht und Tina Brüggemann vom Theater der Stadt Aalen über Fragen der Wirtschaftsethik.

„Sein oder nicht sein – das ist hier die Frage! “ ließ der berühmte Landsmann Theresa Mays, William Shakespeare, seinen Hamlet ausrufen. Für Christian Kreiß, Ökonom und Professor an der Hochschule Aalen, stellt sich heute - gut 400 Jahre nach Shakespeare - vielmehr die Frage nach „Sein und Haben“ [passend zum Spielzeitmotto 18/19], wobei für ihn das Haben über das Sein gesiegt hat: „Geld ist für uns heute schon längst zu einem Mammon geworden, dem wir hinterherrennen, der uns aber nicht glücklich machen wird“, meint Kreiß „ in unserem Leben gibt es immer mehr Bereiche, die dem Geld unterworfen sind. Diese Geldorientierung geht zu Lasten der Menschlichkeit. “ Für einen Publikumsgast ist die Frage nach „Haben oder Sein“ aber noch längst nicht entschieden, da immer mehr Menschen heutzutage arbeiten müssten, um ihr Dasein zu sichern und nicht, um des Konsums willen. „Wird der Brexit zu einem gerechteren Gesellschaftssystem im Vereinigten Königreich führen, oder gibt es einen anderen Ansatz, dieses Profitdenken rückgängig zu machen?“, will daraufhin die Chefdramaturgin des Theaters der Stadt Aalen und Regisseurin des Liederabends Tina Brüggemann von Kreiß wissen. Kreiß verneint - ähnlich wie in Deutschland sei auch in Großbritannien seit dreißig, vierzig Jahren die Tendenz erkennbar, dass die Schere zwischen arm und reich immer mehr aufgehe und dabei das Profitdenken zunehme. Daran würde auch eine nationale Lösung wie die des Brexits nichts ändern. Jede*r Bürger*in besäße im Schnitt 10.000 Produkte, von denen sie/ er 9000 nicht mal in die Hand nähme. Und die Werbung suggeriere dem Konsumenten, immer mehr haben zu wollen. Der Ökonom setzt dem Profit –ähnlich wie Schiller – daher die Schönheit entgegen. Schönheit, wie Kunst und Kultur sie schaffe, kreiere eine transzendentale Atmosphäre, in der der Sinn für Wahrheit gedeihen könne. Und die Wahrheit lautet nach Kreiß, dass viel zu viel um Geld gearbeitet werden würde. Eine 20 Stunden Woche - und damit mehr Zeit für Familie und Freizeit - wäre zum Beispiel mithilfe unserer hochentwickelten Industrie realisierbar. „Mein Appell an Sie lautet deswegen: MEHR SEIN ANSTATT HABEN!“ Ein erster, politischer Schritt in diese Richtung wäre die lokale Einschränkung der kommerziellen Werbung (z.B. durch ein Verbot der Werbung mit Kindern unter 12 Jahren) und eine Qualitätssteigerung der auf dem freien Markt verfügbaren Produkte. Dennoch müsse dieser Wertewandel an sich von jedem Einzelnen umgesetzt werden und könne nicht global bzw. innerhalb des Landes, des Bundes oder der EU als politische Leitlinie vorgegeben werden, wie der Intendant Tonio Kleinknecht zuvor nachspürt. „Aalen werbefrei“ ist hier das Motto. „Immerhin“, meint daraufhin ein interessierter Zuschauer, „habe sich der Aalener Stadtrat gegen Spielhallen und deren sichtbare Bewerbung im Erdgeschoss ausgesprochen“.

Am Ende ist es doch wieder Shakespeares existentielle Frage nach dem Sein oder nicht sein, die Tina Brüggemann in den Raum stellt, indem sie sich an Christian Kreiß mit der Möglichkeit eines positiven, ökonomischen Bereinigungsprozesses innerhalb der EU wendet. Die ökonomische Situation der EU- Mitgliedsstaaten, so Kreiß, habe sich seit der Finanzkrise vor zehn Jahren nicht bereinigt und führe zu starken chauvinistischen, antideutschen Strömungen innerhalb Europas. Die EU sei, anders als ihr Versprechen, daher kein Friedensgarant - der Brexit aus rein ökonomischer Sicht ein nachvollziehbarer Schritt. Dennoch hoffe er, dass Europa aus seiner kulturellen Geschichte heraus das angelsächsische Gewinnmaximierungsdenken revidieren kann. Ob der Brexit dann Segen oder Fluch für Britannien oder die EU ist, wird sich herausstellen. Das Theater der Stadt Aalen rief den Briten vor zahlreichen Zuschauern zu „Get back!.